Leseprobe

DONNERSTAG 18.07.02     7. TAG

Oh Hannah!

Heute Morgen war ich richtig sauer und traurig zugleich. 50% Sauerstoff, du völlig gestresst und keiner will mir was sagen, oder traut sich einfach nicht. Visite sei um 11.00 Uhr. Völlig verunsichert gehe ich.

Heute ist Abschlussuntersuchung, Fäden ex und morgen geht’s nach Hause.

Abends sind eine sehr nette Ärztin da und der Oberarzt, der die Intensivstation leitet. Weiterhin sehr instabil, Pneumonie und daher Antibiose umgestellt.

Heute wird uns auch das erste mal so richtig gesagt, das erste Mal richtig bewusst, dass die akute Hirnblutung allein nicht die gefürchtete Komplikation ist. Da dein Gehirn so unreif sei, ohne ausgebildeten Hirnwindungen usw., müsse man auch bei dir mit geistigen und körperlichen Behinderungen rechnen. Ich will informiert sein. Frank soll morgen sofort Literatur bestellen.

Ach Hannah, auch Papa hat ganz seltsame Gedanken. Ich erzähle ihm, dass ich mir überlegt habe, dass das Frühchen, welches gestorben ist, das Quotenfrühchen sei und nun wären sie bei dir noch ehrgeiziger. Ist das nicht schrecklich? Wie kann man so etwas denken? Ich bin geschockt.

Frank sagt mir, er habe ähnliche Gedanken gehabt. Man sei nun mal völlig unter Strom und stehe sich selbst nun mal am nächsten. Trotzdem grausam.

Ich habe noch einmal angerufen. Dir geht es weiter unverändert.

Heute hatte ich wieder Schmerzen, geht doch wohl noch nicht ohne Schmerzmittel.

Mara war mit Oma Resi da. Sie hat ganz schrecklich geweint beim Abschied, sie ist völlig verwirrt. Ihre kleine heile Welt ist nun auch durcheinander, was habe ich euch nur angetan, was ist passiert? Aber es ist das letztes mal Verabschieden hier im Krankenhaus, morgen werde ich entlassen.

Mama